Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der Flüchtlinge weltweit von 34 Millionen auf 60 Millionen fast verdoppelt – etwa die Hälfte davon Kinder und Jugendliche. Dieser Andrang der Flüchtlinge an den Grenzen Europas wird sich wahrscheinlich noch verstärken. Was sind die Hauptursachen? Passt dies in die globale Agenda 2030? Wie reagiert die Politik wie die Durchführungsorganisationen und was fordern die NROs?
Das BMZ setzt klare Prioritäten. In der Pressemitteilung zum UN-Gipfel „Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele beginnt jetzt“ betonte Gerd Müller: „Angesichts von 60 Millionen Flüchtlingen weltweit seien die neuen Nachhaltigkeitsziele die beste Grundlage, Fluchtursachen zu vermeiden und den Menschen vor Ort in ihren Heimatländern Perspektiven zu schaffen. Die Bekämpfung von Fluchtursachen steht derzeit im Mittelpunkt der Arbeit des BMZ.“
Es gibt kinderspezifische Ursachen wie die Flucht vor Zwangsarbeit, Zwangsrekrutierung als Kindersoldat, eine drohende Zwangsheirat oder Zwangsbeschneidung. Der häufigste Grund sind jedoch Kriege und bewaffnete Konflikte - auch bei Kindern. Kriege entstehen in der Regel aus überlagernden sozialen, wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Interessenkonflikten, an denen der Klimawandel oft unterschätzte Anteile hat.
Im Comic „Syria’s Climate Conflict“ stellt Audrey Quinn plastisch und eindringlich dar, wie eine in Länge und Härte einmalige Dürreperiode zwischen 2006 und 2011 Syriens Landwirtschaft ruinierte und zu einer massive Landflucht von Bauern, Viehzüchtern und deren Familien in die Städte führte. Auch dort wurden nun Wasser und Lebensmittel zu Mangelwaren. Ein schlechtes Management der knappen Ressourcen gepaart mit politscher Unterdrückung durch das Assad-Regime führten letztendlich zum Bürgerkrieg.
„Dieses Zusammenspiel von wirtschaftlichen, sozialen, klimatischen und ökologischen Veränderungen hat den Gesellschaftsvertrag zwischen Bürgern und Regierung untergraben, die Oppositionsbewegungen wachgerufen und die Legitimität des Assad-Regimes unwiderruflich beschädigt“, analysieren Francesco Femia und Caitlin Werrell vom Washingtoner Zentrum für Klima und Sicherheit. Auch den Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) führen die beiden zumindest teilweise auf die lange Trockenperiode zurück“ –so zitiert sie Agnès Sinai in ihrem Artikel „Verwüstung“ in der Le Monde diplomatique.
Am 14.September hat save the children anlässlich des außerordentlichen Ministertreffens in Brüssel gefordert, einen „5-Punkte-Plan zur Flüchtlingskrise“ zu verabschieden. „Eine Aufstockung der humanitären Hilfe in den Herkunftsländern, Neuansiedlungsmöglichkeiten in den Ankunftsländern, weitere legale und sichere Zugangswege, sowie eine Beibehaltung der Seenotrettung und kindgerechte nationale Schutzmechanismen können zur Lösung der sich dramatisch entwickelnden Flüchtlingskrise beitragen. Bereits 380000 Kinder, Frauen und Männer sind in diesem Jahr nach Europa geflohen. Etwa 2850 Menschen, darunter unzählige Kinder, haben auf der gefährlichen Flucht ihr Leben verloren“.
Aus Sicht von UNICEF Deutschland sind jetzt fünf Punkte für Flüchtlingskinder in Deutschland wichtig, die dringend in allen staatlichen Vorhaben berücksichtigt werden müssen:
1. Kindeswohl hat Vorrang, insbesondere bei der Prüfung des Asylgesuchs eines Minderjährigen
2. Kinderfreundliche Unterbringung mit Zugang zu Gesundheitsversorgung, Freizeit und Bildung
3. Schneller Zugang zu psychosozialer Betreuung
4. Sozialleistungen – unabhängig von ihrem Status
5. Keine Abschiebehaft für Kinder und Jugendliche
Auch save the children forderte „einen besonderen Schutz für Kinder“ durch Anwendung des Kinder- und Jugendschutzgesetzes auch für begleitete Kinder; nationale Mindeststandards für Unterkünfte; Schulung von Betreiber, Personal, Polizei und Ehrenamt im Umgang mit und in der psychosozialen Erstversorgung von Kindern; Qualifizierung von Lehrern und Erziehern in Deutsch als Zweitsprache, Unterstützung von Eltern geflüchteter Kinder; sowie geflüchteten Kindern die vollumfängliche Gesundheitsvorsorge zu gewähren.
Die KfW hat „Flüchtilingshilfe“ zu einem Themenschwerpunkt ihrer Arbeit gemacht. In Deutschland unterstützt die KfW die Kommunen kurzfristig mit zinslosen Darlehen, die in Neu- und Umbau, die Modernisierung sowie den Erwerb von Flüchtlingsunterkünften investiert werden sollen. Unter der Schirmherrschaft des BMWi startete die KfW Stiftung eine bundesweite Initiative zur wirtschaftlichen Eingliederung von Flüchtlingen "Ankommer. Perspektive Deutschland".
Fluchtursachen sind vielfältig. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Stellung trägt Deutschland bei der angemessenen Versorgung von Flüchtlingskindern im Inland und Ausland und der Vermeidung von Fluchtursachen im Ausland eine besondere Verantwortung. Es wird eine gemeinsame Aufgabe für die kommenden Jahre, diese Herausforderungen zu schultern, denn kein Land wird sich seiner Verantwortung entziehen können.
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Autor: Burkhard Vielhaber | info(at)kinder-und-jugendrechte.de | erstellt im Oktober 2015
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