Das Smartphone ist immer mit dabei, der nächste Tweet schon halb getippt und Instagram dokumentiert die Welt: Kinder und Jugendliche, die „Digital Natives“ unserer Zeit, sind weltweit immer früher, länger und mobiler im Netz unterwegs. Welche Chancen und Risiken entstehen dadurch für sie? Können Onlinemedien Kinder und junge Erwachsenen darin unterstützen, ihre Interessen zu vertreten und „gehört zu werden“? Und wie kann die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Erstgeborenen der digitalen Welt dazu befähigen, das Internet und die sozialen Medien für die Verwirklichung ihrer Rechte und positiven Wandel zu nutzen?
Eine vom BMZ veranstaltete und durch die GIZ durchgeführte Podiumsdiskussion suchte beim Global Media Forum in Bonn Antworten auf diese und weitere Fragen. In ihrer Begrüßung unterstrich Dr. Heike Kuhn, Leiterin des BMZ-Referats 401 – Menschenrechte, Gleichberechtigung und Inklusion, dass die digitalen Medien den jungen Generationen im Globalen Süden und Norden neue Möglichkeiten eröffnen würden, sich zu organisieren und gesellschaftlich aktiv zu werden. Dies habe die Jugendbewegung „Fridays for Future“ rund um die Klima-Aktivistin Greta Thunberg eindrücklich bewiesen. Fr. Kuhn betonte zudem das weltweite Engagement des BMZ für Kinder- und Jugendrechte, welches sich im Aktionsplan „Agents of Change“ (2017–2019) widerspiegelt aber auch in Digitalprojekten wie z.B. in Peru, wo ein Online-Radio gefördert wird, dass Kindern und Jugendlichen eine Stimme gibt.
Marcela Czarny, Direktorin und Gründerin von der argentinischen Initiative Chicos.net, wies auf zwei Bedingungen hin, welche für junge Menschen bei der Nutzung digitaler Medien von zentraler Bedeutung seien. „Erstens müssen Kinderrechte online geschützt und verwirklicht werden“, so Czarny, „und zweitens bedarf es einer umfassenden Schulung der Kinder im Bereich digitale Kompetenzen.“ Junge Menschen beziehen heute ihre Informationen größtenteils über Facebook, Twitter, und Co., welche jedoch auch Sammelbecken für Fehlinformationen sind. Kinder und Jugendliche müssten daher u.a. die Fähigkeit entwickeln, kritisch zu denken, um die übermächtige Informationsflut aus dem digitalen Äther irgendwie zu filtern.
Matsetsebale Tleane, technischer Berater im GIZ Programm Inklusive Gewaltprävention in Südafrika erklärte, dass das Netz Kindern und Jugendlichen neue Möglichkeiten eröffnen würde, mit anderen zu gesellschaftlich relevanten Fragen in Austausch zu treten. Er berichtete illustrierend vom „Youth Crime Prevention Desk“ in Südafrika, welches die „Youth-Acts“ App entwickelt hat, um junge Erwachsene dabei zu unterstützen, aktiv zur Sicherheit in ihren Kommunen beizutragen. In seiner Antwort auf die Frage nach der Rolle der sozialen Medien für die Entwicklungszusammenarbeit betonte Tleane außerdem, dass man Kinder und Jugendliche dort abholen müsse, wo sie sich aufhalten – und dies sei heute eben immer mehr im digitalen Raum. Nur dann könnten sie ihr Potenzial als „Agents of Change“ für die EZ vollumfänglich ausschöpfen.
Auch Ludwing Moncada, Social Media-Aktivist aus Nicaragua, wies auf die politische Schlagkraft hin, die Jugendliche über das Internet entfalten könnten. Als Gesicht der digitalen Studentenbewegung „Hora:Cero“ bietet er zurzeit zusammen mit vielen anderen jungen Menschen der repressiven Regierung in Nicaragua die Stirn und informiert im Netz über Menschenrechtsverletzungen. Dass dieser Einsatz nicht ohne Risiko sei, bestreitet Moncada nicht. So habe man ihm seine Arbeit beim Außenministerium gekündigt mit der Begründung, er sei ein „Landesverräter“. Einen seiner Mitstreiter, Franco Machado, habe die Regierung sogar auf offener Straße erschießen lassen, weil er über die sozialen Medien seiner Online-Zuhörerschaft die Projektile zeigte, welche die Polizei auf demonstrierende Studierende schoss. „Wir sind nun die Stimme aller derer, die zum Schweigen gebracht wurden.“
Die Panelisten und die Panelistin stellen sich auch vielen Fragen aus dem Publikum. Auf die Frage eines Teilnehmers aus Simbabwe, was man gegen Internetabschaltungen zur Unterdrückung von Jugendbewegungen tun solle, antwortete Tleane, dass Jugendliche Allianzen über die Landesgrenzen hinweg schmieden müssten. Nur gemeinsam sei man stark genug, sich gegen etablierte Machtstrukturen zur Wehr zu setzen und das Internet eröffne einem eine nie davor dagewesene Chance, Unterstützung rund um den Globus zu finden. Sollte Kinder und Jugendlichen dann der Zugang zum Netz z.B. in Simbabwe verwehrt werden, dann können junge Erwachsene in anderen Ländern ihnen zur Hilfe eilen und Druck auf die Regierung ausüben. „Die Grundvoraussetzung hierfür ist, dass wir Kinder und Jugendliche uns organisieren“, so Tleane abschließend. „Das Internet ermöglicht es uns, gemeinsam für unsere Interessen als junge Generation einzustehen. Wir müssen nur damit anfangen. Am besten gleich mit allen hier im Raum.“